Hunger hat ein Gesicht

Niamey 2009



NomaNomaNoma



06:30 ... es ist angenehm warm und die ersten Sonnenstrahlen umhüllen mich wie ein zarter Seidenmantel. Er schützt mich vor dem Wind, der die letzten Zeichen der afrikanischen Dunkelheit vertreibt. Nicht mehr lange, dann wird diese Sonne unbarmherzig und gnadenlos auf das Land brennen, fast jeden Samenkeim vernichten, lange bevor er noch mit seiner Keimung beginnen konnte.

Und das bedeutet Hunger - und dieser Hunger hat ein angsterregendes Gesicht: Noma.

Die Infektion hat ihren Tribut gefordert, hat Nase, Wangen und Knochen genommen, Kieferknochen sind zusammengewachsen und die wenige Nahrung kann nur mit Hilfe von Fingern durch die kleinen Zahnlücken gepresst werden. 80% der Betroffenen sterben. Die anderen überleben, entstellt durch ihre Erkrankung und ausgeschlossen aus der Gesellschaft.

Heute ist der letzte Tag unseres chirurgischen Einsatzes im Niger und wir konnten 24 Kindern durch unsere Operationen ein neues gesellschaftswürdiges Gesicht geben. Die Tage im Operationssaal waren lang und für jeden anstrengend. Dennoch fällt allen der Abschied schwer. Meine Gedanken sind bei Djafarou, einem kleinem Jungen. Wir haben ihm im letzten Jahr die linke Gesichtshälfte korrigiert und bei dem heurigen Operationseinsatz bekam er einen Distraktor. Noch befinden sich 2 Metallsysteme rechts und links der Wangen. In Abständen von einigen Tagen wird das Kiefer langsam aufgedehnt, solange bis Djafarou den Mund wieder ganz öffnen kann. Danach wird der Distraktor entfernt. Sein Vater, der den Kleinen während seines Aufenthaltes in der Klinik begleitet hat, ist überglücklich. „ Meine Frauen sind es auch! Sie haben getanzt.“ sagt er.

Ich denke aber mit Wehmut auch an jene Kinder, die nicht operiert werden konnten. Es sind zu viele, denen wir in diesem Jahr nicht helfen konnten. Sie kommen wieder - nächstes Jahr, für sie heißt es ein Jahr länger warten - entstellt mit einem Nomagesicht ...
Ich freue mich schon auf den Einsatz im Februar 2010 und auf Djafarou, den ich in der Klinik wiedersehen werde. Dann wird er wieder ganz normal essen können! Nur die kleinen, fast unsichtbaren Narben, sind stumme Zeugen eines unbeschreiblichen Leidensweges eines Kindes aus dem Niger.

Ulli Nothegger
Operationsschwester, Noma Team Austria

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